Deutschland verliert den Anschluss

Deutschland investiert im Vergleich zu anderen großen Industrieländern Europas  zu wenig Geld in sein Schienennetz. Dies geht aus einer Aufstellung von SCI Verkehr und Allianz pro Schiene hervor. Deutschland landet im Vergleich mit den Nachbarländern auf den hinteren Rängen.

Pro Bürger investierte die Schweiz als Spitzenreiter im europäischen Vergleich 308 Euro pro Bürger in das Schienennetz, Österreich noch 230 Euro. Schweden investierte 164 Euro pro Kopf und die Niederlande 159 Euro.  Großbritannien investierte  125 Euro, Spanien 114, Italien 99 und Frankreich  90 Euro pro Bürger. Die Politik dieser europäischen Länder setzt bewusst auf die Ertüchtigung der Eisenbahnnetze.
Deutschland verliert mit Bundesmitteln von 53 Euro pro Bürger in Europa den Anschluss. Die beiden Alpenländer Schweiz und Österreich stecken seit Jahren höhere Beträge in ihre Schienennetze als in die  Straßeninfrastruktur.

Nach Aussagen des Allianz pro Schiene Geschäftsführers Dirk Flege geht Deutschland einen besorgniserregenden Sonderweg.  Seit Jahren investiert Deutschland ein  Vielfaches mehr an Geld in die Straße als in die Schiene.  Während sich die Transitländer Schweiz und Österreich ganz gezielt auf den Aufschwung im Schienen-Güterverkehr vorbereiten, droht Deutschland die Gelegenheit zu verpassen, in Zukunft den Großteil des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zu holen. Nach Fleges Einschätzung benötigt die deutsche Schieneninfrastruktur mindestens fünf Milliarden Euro pro Jahr vom Bund, damit Deutschland sich wenigstens den italienischen Verhältnissen annähern kann.

Lars Neumann von der Beratungsfirma SCI Verkehr sieht, dass global gesehen der Eisenbahnausbau boomt, während in Deutschland die Investitionsbereitschaft in auch im weltweiten Vergleich am unteren Ende der Skala rangiert.

Wenn bei den Vergleichen nicht die Investitionen pro Einwohner als Maßstab genommen werden, sondern nach dem Verhältnis von Wirtschaftskraft und staatlichen Investitionen gewichtet wird, dann sieht es für Deutschland sogar noch schlechter aus.

Man kann also gespannt sein, wie in den nächsten Jahren die Länder um Deutschland herum mit der Tatsache umgehen, dass in der Mitte Europas ein Land ist, welches den durchgängigen Schienengüterverkehr nicht in dem Umfang leisten kann, wie es notwendig ist.

Interessant ist ja, dass unsere Bahn AG sich in vielen Ländern beim Aufbau der Schieneninfrastruktur mit ihrem scheinbar doch gefragten Know How einbringt, während in Deutschland die Aktivitäten eher einem leichten Lüftchen gleichen. Aber eine AG hat eben Profit zu machen, was dann im Ausland scheinbar leichter geht.

3 Gedanken zu „Deutschland verliert den Anschluss“

  1. Fragen zur Methode

    Es stellt sich hier doch die Frage, ob die gewählte Methode geeignet ist, Vergleiche anzustellen.

    Investitionen pro Bürger bzw. bezogen auf die Wirtschaftskraft sind nicht unmittelbar vergleichbar. So haben die in der Studie untersuchten Staaten beispielsweise ganz unterschiedliche Topologien. Investitionen in ein Streckennetz in den Alpenregionen werden immer höher sein als in eines auf dem flachen Land. Hinzu kommt, dass die Bahnbetriebe in den verschiedenen Staaten unterschiedliche Aufgaben zu bewältigen haben; Stuchwort Altlasten.

    Wie ist ‚Investition in Schienennetz‘ definiert? Sind dies nur die Investitionen in den Erhalt der Bahnstrecken? Sind neue Züge beinhaltet? Sind Personalkosten beinhaltet?

    In einer Presseerklärung von 2011 erkärt die Bahn, dass sie bis 2010 41 Milliarden Euro in das Schienennetz und in neue Züge fließen lassen will. Das sind 250 Euro pro Bürger und Jahr…

  2. Hallo Frank,
    Welche Methode würdest du vorschlagen? Ich denke, dass Vergleiche unterschiedlicher Staaten immer Zugeständnisse beinhalten. Die Aufgaben sind nicht unbedingt unterschiedlich. Ein Verkehrswegenetz hat primär die Aufgabe, effiziente Wege für Verkehrsmittel bereit zu stellen. Und wenn die Investitionen angesprochen werden, wird hier nicht der Neubau alleine angesprochen, sondern die Gesamtinvestition, also auch die „Altlastenthematik“.
    Schienennetz ist wirklich „nur“ die Schieneninfrastruktur.
    Dein letzter Satz ist leicht missverständlich- die Jahreszahlen sind irgendwie nicht ganz schlüssig. Die Untersuchung ist nicht auf die Zukunft ausgerichtet gewesen, sondern auf die bisher geleisteten Investitionen. Bei der Presseerklärung wäre interessant, wie viel von den 41 Milliarden in die Schieneninfrastruktur und wie viel ins „Rollmaterial“ investiert werden soll.
    Ausserdem ist es nicht die Bahn als AG, sondern die Bundesrepublik Deutschland als Finanzträger, die in dieser Untersuchung „schlechter wegkommt“ als die umliegenden Länder.

  3. Hallo Jörg,

    welche Methode hier angebracht ist, möge man den Verkehrsplanern überlassen. Auch die Entscheidung, ob die hier diskutierten Vergleiche aussagekräftig sind. Ich sehe jedoch nach wie vor Schwächen in der Methode. Natürlich ist es das generelle Ziel, effiziente Wege für Verkehrsmittel bereit zu stellen. Dieses Ziel haben alle in dem Vergleich genannten Staaten. Die aus dem Ziel abgeleiteten Aufgaben jedoch sind unterschiedlich. So wird ein Staat mehr mit der Topologie zu kämpfen haben als ein anderer, in einem Staat wird die Kooperation von Bahngesellschaften anders aussehen als in einem anderen Staat. Und nicht jeder Staat hat die Aufgabe, die Infrastruktur zwischen alten und neuen Bundesländern aufzubauen (mit Investitionen, die an anderer Stelle nicht getätigt werden können). Das Ziel ist dasselbe, die Aufgaben sehr unterschiedlich. In Deutschland wird z.B. in die energetische Sanierung von Bahnhofsgebäuden und in den Lärmschutz investiert; andere Staaten investieren an anderer Stelle…

    Zu der Presseerklärung: Von der gesamten Summe sollen 75 Prozent in die Infrastruktur fließen; 25 Prozent sollen in neue Produkte fliessen.

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